Was Pampers und Viagra gemeinsam haben

Eine klare Unterscheidung zwischen dem Wirkstoff auf der einen Seite, sowie dem Handelsnamen eines Medikaments auf der anderen Seite, erlaubt nicht nur eine Kosteneinsparung durch Erwerb von Generika, sondern mindert auch potenzielle gesundheitliche Risiken.

Es existiert eine Vielzahl an Medikamenten auf dem Markt. Auch medizinisches Personal kennt nicht jeden Handelsnamen, sollte allerdings mit Wirkstoffen und Wirkstoffnamen vertraut sein.

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„Gibst du mir mal ein Tempo?“ „Schreib mal Zewa auf die Einkaufsliste.“ „Haben wir noch Q-Tips?“ „Die Pampers sind schon wieder alle!“

Bestimmt wissen die meisten von euch, welche oben genannten Gegenständen gemeint sind. Das Witzige daran: es wurden nur die Marken genannt und doch hat jeder sofort ein entsprechendes Bild im Kopf. Für die, die es nicht wissen (Taschentücher, Küchentücher, Wattestäbchen, Windeln). 😉

Während das erstmal für hervorragendes Marketing spricht, ist es außerdem ein interessantes Phänomen, was sich auch im Bereich der Medizin, genauer gesagt in der Pharmabranche wiederfindet: der Wirkstoff(name) und der Medikamentenname. Der Unterschied ist dem Laien meistens nicht unbedingt klar und manch einer wird sich jetzt fragen:

Ja und? Was bringt mir das jetzt?

Zwischen Wirkstoff und Medikament zu differenzieren ist nicht nur wichtig, wenn man regelmäßig Medikamente einnehmen muss, sondern kann auch dem gelegentlichen Apothekenbesucher einiges an Geld sparen.

Der Wirkstoffname

Der Wirkstoff ist, wie der Name schon verrät, die Substanz, welche im Körper eine Wirkung erzielt. Der wissenschaftliche Name für die Substanz ist der Wirkstoffname. Dieser folgt oft einer sogenannten Nomenklatur. Das ist ein spezielles Regelwerk, welches für wissenschaftliche Namensgebung verwendet wird, um Missverständnisse zu vermeiden und eine klare Kommunikation zu gewährleisten. 

Der Wirkstoffname ist oft lang und umständlich auszusprechen. Ein schönes Beispiel wäre hier Xylometazolin als Wirkstoff von abschwellenden Nasensprays oder Acetylsalicylsäure als Wirkstoff von Aspirin.

Der Handelsname / Das Medikament

Wenn ein Unternehmen aus einem oder mehreren Wirkstoffen ein Medikament auf den Markt bringt, dann kann es dem Medikament einen eigenen Namen geben, den sogenannten Handelsnamen. Dieser dient als Erkennungszeichen der Marke. Der Handelsname ist meistens auch leicht auszusprechen und hat oftmals den Zweck des Medikaments im Namen verbaut, bspw. Grippostad bei grippeähnlichen Beschwerden, Nasivin als Nasenspray oder Wick Medinait für die Linderung von Erkältungsbeschwerden in Nacht. Oftmals werden hier auch anatomische Bezeichnungen auf lateinisch verwendet, beispielsweise im Medikament Sinupret gegen Nasennebenhöhlenbeschwerden (med. Sinus genannt), Bronchicum als Medikament gegen Husten (med. Bronchitis).

Nasefrei oder Xylometazolin?

Möchte jetzt also eine Firma ein Nasenspray herstellen mit dem Wirkstoff Xylometazolin, dann tut sie gut daran, den verschnupften Käufern möglichst nicht den Wirkstoffnamen um die Ohren zu hauen.

Überlegt doch mal selbst was besser klingt: Nasivin, Nasefrei oder Xylometazolinhydrochlorid? 😉

Selbiges Prinzip findet sich auch bei anderen Wirkstoffen, die im Handel verkauft werden. Man denke an das Mückenspray Anti-brumm. Treffend, der Name oder? Kennt jemand den Wirkstoffnamen?

Während man als Laie so kaum mit den wissenschaftlichen, teils umständlich langen Wirkstoffnamen in Kontakt kommt, sind Wirkstoffe aber genau das, was die eigentliche Essenz eines Medikaments ausmacht: Eine Tablette besteht so nicht nur aus dem Wirkstoff (oder mehreren), sondern auch noch Füllstoffen, Tablettenüberzug, Farbmittel, etc.

Missverständnisse

Da die meisten Menschen nur mit den Handelsnamen zu tun haben, sorgt der Wirkstoffname öfter mal für Missverständnisse und Verwirrung. So ist es nicht nur einmal vorgekommen, dass ich damals als Medizinstudent folgenden Dialog geführt habe (L: Lina, P: Patient):

L: „Welche Medikamente nehmen Sie regelmäßig ein, Herr X?“

P: „Die Blutverdünner, die kleinen gelben.“

L: „Vielleicht Apixaban?“

P: „Nein, die heißen anders…Moment.“ *kramt* „Eliquis!“

L: „Ah. Also doch Apixaban. Wieviel Milligramm?“

P: „Nein, nein, ich nehme Eliquis!“

Der Wirkstoff von dem Medikament Eliquis heißt Apixaban. Diese kurze Sequenz verdeutlicht was für Schwierigkeiten und Missverständnisse im medizinischen Alltag lauern, wenn es um Medikamente und deren Bezeichnung geht.

Ein weiteres populäres Beispiel ist das Medikament Aspirin. Dieses beinhaltet den Wirkstoff Acetylsalicylsäure, kurz ASS. Nun gibt es aber noch eine Vielzahl weitere Medikamente, die den Wirkstoff ASS enthalten, beispielweise HerzASS, Neuralgin PAC, Dolopyrin AL oder Fibrex. Wer hätte gedacht, dass in diesen Medikamenten überall ASS enthalten ist?

Relevanz für den Alltag

Warum genau ist die Differenzierung zwischen Wirkstoff- und Handelsnamen im Alltag relevant für uns? Dafür gibt es verschiedene Gründe:

Ein Wirkstoff, mehrere Handelsnamen

Ein und derselbe Wirkstoff kann unter verschiedenen Handelsnamen verkauft werden. Dies kann zu Verwirrung führen, wenn man sich nicht sicher ist, welcher Handelsname zu welchem Wirkstoff gehört. Beispielsweise verbirgt sich der Wirkstoff Ibuprofen hinter den Handelsnamen Nurofen, Advil als auch Motrin.

Generika und Markenmedikamente

Generika (Medikamente, die genauso wirken wie bekannte Markenmedikamente) sind oft viel günstiger als Markenmedikamente, enthalten jedoch oft denselben Wirkstoff. Wenn Patienten oder Ärzte nicht wissen, dass ein Generikum denselben Wirkstoff wie das teurere Markenmedikament enthält, könnten sie unwissentlich die teurere Option wählen. So kennen einige sicher das potenzfördernde Medikament Viagra. Dieses ist der Handelsname, der enthaltene Wirkstoff heißt Sildenafil. Als das Patent der Firma Pfizer auf den Wirkstoff Sildenafil in den meisten Ländern in den 2000er Jahren ausgelaufen ist, haben andere Firmen denselben Wirkstoff als Generikum auf den Markt gebracht. Ein anderer Name, derselbe Wirkstoff und meist um einiges preiswerter als das Original.

Wer also Generika kauft, kann oft Geld sparen. Dafür ist im übrigen auch das „aut idem“ Kästchen auf dem Rezept gedacht: wenn der Arzt einverstanden ist, kann statt des Markenmedikaments in der Apotheke auch ein anderes baugleiches Medikament (Generikum) erworben werden, da Inhalt und Wirkung identisch sind.

Internationaler Unterschiede

Ein und derselbe Wirkstoff kann in verschiedenen Ländern unterschiedliche Handelsnamen haben, was bei Medikamentenverschreibung im Ausland problematisch werden kann. So gibt es in Amerika das Medikament Advil, was den Wirkstoff Ibuprofen enthält. In Deutschland könnte man Ibuprofen in der Apotheke unter dem Namen Nurofen erhalten.

Lieber die Medikamente in den Blistern lassen. So behält man eher den Überblick. Oder wofür war nochmal die rote Pille?

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Wechselwirkungen

Viele Medikamente beinflussen sich gegenseitig. Wenn man aber nun zwei Medikamente derselben Wirkweise miteinander komibiniert, kann es gefährlich werden. Ein einfaches Beispiel hierfür wären die Blutdrucksenker. Ein sehr häufig verschriebenes Präparat ist der ACE-Hemmer Ramipril. In der Gruppe der ACE-Hemmer gibt es aber noch viele weitere Substanzen mit der Endung -pril:

  • Enalapril (Handelsname: Enacard, Vasotec)
  • Lisinopril (Handelsname: Prinivil, Zestril)
  • Ramipril (Handelsname: Altace)
  • Captopril (Handelsname: Capoten)
  • Benazepril (Handelsname: Lotensin)

Wenn man jetzt das Medikament Enacard und Altace kauft und zusammen einnimmt, wer würde glauben, dass beide einen ähnlichen Wirkstoff enthalten? Die Wirkung würde sich verstärken und eventuell einen gefährlichen Blutdruckabfall verursachen.

Ihr seht also, dieses Thema hat durchaus Relevanz: nicht nur im klinischen Kontext, sondern auch im stinknormalen Alltag.

Kennt ihr solche Missverständnisse aus dem Alltag ebenfalls? Schreibt gerne einen Kommentar!

Übrigens: Der Wirkstoff im Anti-Brumm heißt übrigens DEET (Diethyltoluamid)  und findet sich auch in den Produkten von Autan, Repel, Off! und weiteren Mücken/Zecken Abwehrmitteln. 😉

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